Moral und Solidarität in einer amoralischen Wirtschaft

Artikel vom 12.02.2018, 19:48 Uhr.

Siebter Stammtisch des REGIO-MARK e.V. am 16. Januar 2018

Es wurde eng im Büro des Bund Naturschutzes in Schwabach: Im nun bereits 7. Stammtisch des Regio-Mark e.V. kamen einige neue Gäste.

Einer der neuen Gäste wartete gleich mit dem provokanten Statement auf, dass Entsolidarisierung und Wirtschaftskriminalität sich in Deutschland (und anderswo) auszahlen. Die Gegenmaßnahmen durch Staat und Staatsorgane lassen zu wünschen übrig. Und das obwohl die Moral Studie aus dem Jahre 2011 und eine weitere aus dem Jahre 2013 zeigen, das moralische Werte von über 90 % der Befragten als notwendig und unverzichtbar für den Zusammenhalt einer Gesellschaft gesehen werden. Nur, so die Studie, gibt es leider keine öffentliche Instanz, die als moralisch gilt. Da schneidet die Kirche mit 11% noch am besten ab, Politik und Wirtschaft trauen nur 6% der Befragten eine Vermittlung von moralischen Werten zu.

Eine mögliche Ursache wurde darin gesehen, dass wirtschaftliche Werte wie „Wachstum und Rendite um jeden Preis“ eine Gesellschaft so stark durchdringen, dass jeder im Wettlauf des „ewigen Wachstums“ ums eigene Überleben kämpft. Dementsprechend bleiben moralische und solidarische Werte auf der Strecke – trotz aller wohlgemeinten Absichten. Die Frage, die sich dann stellte: wie könnte eine Gesellschaftsform, wie der Kapitalismus aussehen, ohne den Zwang zu wachsen. Wichtig dabei die Feststellung: Wachstum ja, aber nicht um jeden Preis und es ist auch nicht notwendig. Und eine weitere Frage nach dem Bild des Menschen schloss sich dem gleich an: Ist die Gier dem Menschen angeboren?

Eine mögliche Lösung wurde in einem Geldsystem ohne Zins gesehen. Denn der Zins verleiht dem Geld die Fähigkeit, ewig ohne Grenzen exponentiell zu wachsen, was so in der Wirtschaft nicht möglich ist. Hierzu gibt es bereits einige Ideen und Modelle, für die sich u.a. auch der REGIO-MARK e.V. stark einsetzt, die in der Wissenschaft derzeit kaum beachtet werden.

Eine weitere Möglichkeit wurde in dem bedingungslosen Grundeinkommen gesehen. Dahinter steht das Bild, dass jeder Mensch Anteil an den Früchten der volkswirtschaftlichen Leistung hat – egal wie viel er selbst dazu beiträgt. Man bedenke: 70% der gesellschaftlichen „Arbeit“, die notwendig für das Leben einer Gemeinschaft sind, geschehen ehrenamtlich bzw. unentgeltlich.

Hier wurde auch die Forderung nach einer „Steuerreform“ diskutiert. Heute wird die Arbeit mit bis zu 40 % stärker besteuert als das Kapital mit max. 25%. Diese Umkehrung der Besteuerung wie sie in den letzten Jahrzehnten mit der Globalisierung und dem Öffnen der Märkte stattgefunden, mit der Begründung, das Geld Arbeitsplätze schafft, ging nach hinten los und wurde von vielen Besuchern des Abends als Verrat an der Arbeit und der arbeitenden Bevölkerung gesehen. Daran leide die Partei, die das hauptsächlich mit eingeführt hat, noch heute.

Eine solidarische Bewegung müsse von unten kommen – so die fast einhellige Meinung der Gäste. Ansätze wurden einige genannt:
• Verschenken bzw. Teilen der Erträge aus dem eigenen Garten mit Freunden und Nachbarn.
• Repaircafé Schwabach: Anderen Menschen ehrenamtlich beim Reparieren helfen, damit sie nicht gleich verschrottet werden müssen. So werden wertvolle Ressourcen geschont.
• Jugendarbeit mit dem Ziel, die Solidarität unter den Jugendlichen durch gemeinsame Erlebnisse über Klassen- und Ländergrenzen hinweg zu fördern.
• Im Martha-Wohnprojekt - http://wingmbh.de/ - werden Bewohner, die ihre Miete nicht zahlen können, weil sie in Rente gegangen sind, vorübergehend aus einer Gemeinschaftskasse unterstützt.
• Lebensgemeinschaft Tempelhof – siehe www.schloss-tempelhof.de – ist in der Nähe von Schwäbisch Hall auf einer 30 ha große Fläche zu Hause. Die Liegenschaft gehört einer Stiftung, die den Grund per Erbpachtvertrag auf 99 Jahre an die Lebensgemeinschaft vergeben hat. Ziel ist auch hier, Grund und Boden der Spekulation zu entziehen. Organisiert ist die Lebensgemeinschaft in einer Genossenschaft und einem Verein, die als demokratische Plattform für solidarische Betriebe und gemeinnützige, soziale Projekte und Initiativen gesehen werden.
• Die Bio Boden Genossenschaft - https://bioboden.de – kauft Boden auf, um diesen preiswert an ökologisch wirtschaftende Landwirte zu verpachten. Damit wird bewusst auf eine kurzfristig höhere Rendite verzichtet, um langfristig in eine nachhaltigere Wirtschaftsform zu investieren. Aktuell sind über 2600 ha in der Hand dieser Genossenschaft.
• Netzwerk Gemeinwohlökonomie https://www.ecogood.org/de/. Das Netz besteht aktuell aus 9299 Privatpersonen und 2316 Unternehmen/Organisationen und 70 Politikern. Die Beteiligten setzen sich bewusst für ein anderes Wirtschaften ein, in der z.B. durch das Erstellen einer Gemeinwohlbilanz auch viele nicht monetäre Faktoren bewertet werden. Insgesamt ein fantastisches und erfolgreiches Beispiel für eine alternative Bewegung von unten.

Zum Schluss blieb die Frage: wo fangen wir an? Es wurde ersichtlich, dass wir Solidarität und Moral vorleben müssen und wollen – zunächst im kleinen Rahmen. Dazu gibt es, wie die obige kleine Liste zeigt, viele Möglichkeiten. Schon heute! Es wurde auch ersichtlich, wie wichtig es ist, die Widersprüche einer Gesellschaft - wie den Wachstumszwang auf Kosten der Moral - ins öffentliche und politische Bewusstsein zu heben.

Wiederholt wurde das Thema des bedingungslosen Grundeinkommens angesprochen. Ein Thema das durch alle politischen Parteien kontrovers diskutiert wird. Darum wird es dann im nächsten Stammtisch am 13. März 2018 um 19:30 Uhr gehen. Diesmal im Mehrgenerationenhaus in der Flurstr. in Schwabach.


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