Negativzinsen

Artikel vom 20.11.2017, 14:22 Uhr.

Sechster Stammtisch des REGIO-MARK e.V. am 7. November 2017

Im nun bereits 6. Stammtisch des Regio-Mark e.V., der trotz attraktiver Konkurrenzveranstaltung der Schwabacher LesArt sehr gut besucht war, diesmal sogar mit Besucher aus dem LK Ansbach, ging es um das Thema Negativzinsen und die Frage, ob Sparer dadurch systematisch enteignet werden.

Im Impulsreferat wurde in das Thema mit einem Rückblick in die wirtschaftliche Entwicklung der Menschheit, die Entstehung und Bedeutung des Zinses für unser „modernes“ Wirtschaftssystem und die Entwicklung der Geldmenge in der Bundesrepublik Deutschlands eingeleitet. Dabei vertrat der Referent folgende provokante These: Der Zins auf Kredite ist Ursache dafür, dass Schulden nie zurückgezahlt werden können. Diese Behauptung begründet sich auf die Tatsache, dass wir ein Schuldgeld haben: erst dadurch, dass der Staat einen Kredit bei der Zentralbank aufnimmt, entsteht Geld, mit dem gewirtschaftet werden kann. Zur vollständigen Begleichung des Kredites fehlt letztendlich der Betrag des Zinses. Und das Zurückzahlen ist und kann auch nicht erwünscht sein, denn damit würden alle wirtschaftlichen Tätigkeiten zum Erliegen kommen.

Für die Bundesrepublik Deutschland zeigten sich bis heute folgende Entwicklungen: zum einen nahm die Geldmenge und damit auch das Volumen der Schulden von ca. 60 % des BIP im Jahre 1950 auf aktuell über 300 % zu. Das heißt: für jeden Euro, der an wirtschaftliche Tätigkeit geleistet wird, gibt es aktuell ein Geldvermögen oder auch Schulden von über 3 Euro. 1950 waren es noch 60 Cent. Die Geldvermögen und die Schulden betragen im Schnitt pro Kopf etwa 100.000 Euro. Und wenn man sich die Daten des statistischen Bundesamtes anschaut, so betragen die Einkünfte aus Kapitalvermögen ca. einen Drittel aller Einkünfte, während es 1950 noch weniger als 5% waren. Schön wer viel Kapital hat!

Die Entwicklung bzw. die Abkehr von den positiven Zinsen scheinen vor diesem Hintergrund erst einmal logisch: man möchte die Geldmenge bzw. die Schuldentürme nicht noch weiter aufblähen. Seit 2012 gibt es in Deutschland „negative“ Zinsen. Teilweise fordern die Banken von ihren Kunden mit hohen Einlagen ebenfalls negative Zinsen, was korrekter Verwaltungsgebühren heißen müsste. Die Folge ist, dass sich Anleger andere attraktivere Anlagen suchen. Teilweise scheinen sie diese auch zu finden: die Milliardäre haben es z.B. 2016 geschafft, ihr Vermögen um 12 % zu vergrößern. Hingegen bekommen große Teile der Bevölkerung keine Erträge auf ihre Spareinlagen und die Inflation liegt derzeit bei 1,6 %, so dass sie einen tatsächlichen Vermögensverlust erleiden! Somit zeigt die Erscheinung der „Negativzinsen“ relativ deutlich, wie Sparer systematisch um ihre Ersparnisse gebracht werden.

Worin liegt nun die Lösung? Ideal wäre eine Welt ohne Zinsen und Inflation! Als Idee wurde vorgestellt, dass es auf Bargeld und Sichteinlagen (Geldmenge M1), deren Höhe etwa 2000 Mrd. Euro beträgt, eine Verwaltungsgebühr von 5 % unterliegt. Und dieses Geld könnte/sollte dann als bedingungsloses Grundeinkommen auf alle Einwohner der Bundesrepublik verteilt werden. Das würde ein mtl. Einkommen von etwa 100 € pro Kopf bedeuten. Längerfristige Einlagen könnten von dieser Gebühr befreit werden oder nur im Einklang mit dem Wachstum der Wirtschaft verzinst werden. Somit würde das Geld als Spekulationsobjekt seinen Reiz verlieren und es würde ersichtlich, dass das Wachstum der Geldmenge von Menschenhand erarbeitet werden muss.

In der Diskussion wurde das Thema mit den Stiftungen angesprochen. Sie haben in der Niedrigzinsphase ein Dilemma, denn ihr Geschäftsmodell ist im Wesentlichen auf die Einnahmen aus Kapitalvermögen aufgebaut. Ihnen fehlen Einnahmen, um ihren Aufgaben nachzukommen.

Des Weiteren wurde auf die Bedeutung der Pensionsfonds auf den internationalen Kapitalmärkten hingewiesen. Ihr Anlageziel ist es, hohe Renditen zu erwirtschaften. Ihr Anlagevolumen wird höher als das von Lebensversicherungen und Hedgefonds geschätzt.

Die Idee der Verwaltungsgebühr auf die Sichteinlagen gleicht den Abschlagszahlungen auf Brakteaten, die es im Hochmittelalter in fast dem gesamten deutschen Sprachraum gab. Sie wurden in regelmäßigen Abständen, i.d.R. einmal jährlich, verrufen, d.h. die Münzen verloren ihre Gültigkeit und konnten gegen eine Abschlagszahlung umgetauscht werden. Dies führte zu einer relativ hohen Umlaufgeschwindigkeit des Geldes; ebenso wurde recht viel Geld gespendet. Diese Zeit wurde damals schon als Blütezeit mit einem relativ hohen Reichtum bezeichnet – viele Kathedralen entstanden in dieser Zeit.

Sehr intensiv wurde das aktuelle Thema der „Paradise Papers“ diskutiert. Auch wenn derzeit noch viele Informationen fehlen und der Umfang der Schäden nur erahnt werden kann, so zeigt es doch eines: die Haltung von einigen Menschen und Unternehmen alle Mittel auszuschöpfen, um Steuern zu sparen oder gar zu hinterziehen. Diese Menschen und Unternehmen leben und agieren in einer Gemeinschaft und einer gesellschaftlichen Ordnung, die deren Reichtum und Vermögen erst ermöglichten und auch schützen. Insofern war es unter den Anwesenden unverständlich, dass diese Personen nicht bereit sind, einen Teil als Dank – und wenn es nur in Form von Steuern ist – der Gemeinschaft zurückzugeben.

Wiederholt wurde das Thema Solidarität und Moral angesprochen, 2 Tugenden, die essentiell für den Zusammenhalt und das Funktionieren einer Gemeinschaft, einer Gesellschaft sind. Darum wird es dann im nächsten Stammtisch am 16. Januar 2018 gehen: Wie lassen sich Moral und Solidarität trotz eines „amoralischen“ Geldsystems fördern? Herzliche Einladung an alle Interessenten.

 



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